Europäische Truppen in der Ukraine könnten bald keine Fiktion mehr sein, sagt unser Gastautor. Ein Essay.
Der Erste, der die Idee aufbrachte, war der französische Staatspräsident Emmanuel Macron – und das lange, bevor klar war, dass Donald Trump die US-Wahlen gewinnen würde. Bereits im März 2023 schlug er vor, nicht nur neue Waffen, sondern Bodentruppen in die Ukraine zu schicken. Die sollten im Hinterland ukrainische Fronttruppen entlasten, die ukrainische Armee vor Ort ausbilden, aber selbst nicht kämpfen.
Macron wurde dafür in Frankreich und im Ausland heftig kritisiert. Damals war niemand bereit, ihm zur Seite zu springen. Jetzt dagegen, so berichtet Le Monde unter Berufung auf vertrauliche Quellen, verhandelten Paris und London insgeheim über eine Koalition von Staaten, die Soldaten in die Ukraine entsenden könnten. Und der estnische Außenminister Margus Tsahkna schlug das inzwischen als europäische Reaktion für den Fall vor, dass sich die USA unter Trump aus Europa zurückziehen sollten.
Das wäre, nach einem Nato-Beitritt der Ukraine, „die nächstbeste Option“. Vor Macron und Tsahkna hatte bereits Jaroslaw Kaczyński im März 2022 eine Nato-Friedensmission in der Ukraine gefordert, während einer Zugreise nach Kiew mit dem damaligen Premierminister Mateusz Morawiecki. Kaczyńskis Vorschlag sorgte damals nur für Kopfschütteln, denn er war weder mit der Nato noch innerhalb der polnischen Regierung abgestimmt und vermischte zwei Kategorien: Nato-Truppen, die in der Regel kommen, um zu kämpfen – und Friedenstruppen, die normalerweise von den Vereinten Nationen geschickt werden, um zwei feindliche Lager voneinander zu trennen, die mit einer solchen Mission einverstanden sind.
Im UN-Jargon entspricht das in etwa dem Unterschied zwischen Truppen, die mit einem Mandat des UN-Sicherheitsrats „Frieden machen“ (peace enforcement, auch gegen den Willen der Streithähne) und „Frieden erhalten“ (peace keeping, einen Waffenstillstand überwachen und beobachten). Daneben gibt es noch Missionen, die kurz eingreifen, um bedrohte Zivilisten zu evakuieren oder Massaker zu verhindern. Was Kaczynski damals meinte, blieb unklar. Was derzeit zwischen London und Paris verhandelt wird, ist dagegen nichts von alledem. Zur Zeit kann der UN-Sicherheitsrat weder das eine noch das andere in die Ukraine entsenden, weil er in dieser Frage völlig blockiert ist.
Kollektive Verteidigung statt Hilfe zur Verteidigung der Ukraine
Bisher verteidigt sich die Ukraine alleine. Abgesehen von einigen geheimen kleinen westlichen Einheiten, die Geheimdienstinformationen austauschen und ukrainische Soldaten an westlichem Gerät ausbilden, gibt es keine westlichen Truppen in der Ukraine und die einzigen Ausländer, die auf ukrainischer Seite kämpfen, sind Freiwillige in ukrainischen Uniformen. Da die Ukraine nicht in der Nato ist, wird sie auch nicht kollektiv verteidigt. Allerdings ist kollektive Verteidigung auch außerhalb der Nato möglich. Art. 51 der UN-Charta erklärt das Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung sogar zum „naturgegebenen Recht“ im Falle eines bewaffneten Angriffs, das so lange ausgeübt werden kann, bis der Sicherheitsrat „die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat“.
Völkerrechtlich stünde einer Entsendung ausländischer Truppen in die Ukraine also nichts im Wege, solange der Sicherheitsrat dort nicht selbst für Frieden sorgt. Die nordkoreanischen Truppen in Russland werden dadurch allerdings nicht legal – sie nehmen an einem Angriffskrieg teil. Das ist die Logik der UN-Charta: Gewaltanwendung ist grundsätzlich verboten, außer, ein Land verteidigt sich alleine oder mit anderen gegen einen Angriff. Davon abgesehen darf nur der Sicherheitsrat Gewalt anwenden – wenn sich seine Mitglieder einig sind.
Eine europäische Ad-hoc-Koalition der Willigen unter britischer und französischer Führung könnte also völkerrechtlich durchaus Truppen in die Ukraine schicken, entweder zur Entlastung der ukrainischen Armee im Hinterland oder sogar an die Front. Wie gesagt: Völkerrechtlich legal wäre das, ob es politisch klug wäre, ist eine andere Frage.
Westliche Truppen in der Ukraine
Die Bundeswehr wird sich daran kaum beteiligen, und zwar aus mehreren Gründen. Schon der Vorstoß Macrons im Februar 2024 löste bei der Bundesregierung offene Ablehnung aus: Es werde keine Soldaten auf ukrainischem Territorium geben, so Olaf Scholz damals. Der wird in ein paar Monaten vermutlich nicht mehr Kanzler sein, aber für eine Entsendung von Truppen in ein Kriegsgebiet sind die Hürden in der Bundesrepublik viel höher als in Großbritannien und Frankreich.
In Großbritannien ist das ein Vorrecht des Königs, das de facto von der Regierung ausgeübt wird. Allerdings hat sich schon beim Irak-Krieg ein Konsens gebildet, nachdem die Regierung die Zustimmung des Parlaments für eine Truppenentsendung braucht. Immerhin: Keir Starmer hat fast eine Zweidrittelmehrheit im Unterhaus. In Frankreich ist die Sache noch einfacher: Die Regierung kann einfach Truppen entsenden und muss das Parlament nur innerhalb von drei Tagen darüber informieren. Dauert der Einsatz länger als vier Monate, braucht sie die Zustimmung des Parlaments, die dann aber unbegrenzt gilt. Von solchen Verhältnissen können Bundesregierungen nur träumen, sie haben nicht nur mit Widerstand in den eigenen Reihen und bei Koalitionspartnern zu rechnen (wie Gerhard Schröder 2001), sondern können auch von den Roten Roben in Karlsruhe gestoppt werden.
Inzwischen ist durch die Reaktionen auf den Le-Monde-Artikel über britisch-französische Konsultationen klar geworden, wie der Hase läuft: Starmer hat einem Einsatz britischer Truppen in der Ukraine eine Absage erteilt, der französische Außenminister Jean-Noël Barrot dagegen meinte auf die gleiche Frage: „Wir schließen gar nichts aus.“ Es gebe für die französische Regierung keine roten Linien.
Dass Frankreich damit weiterhin alleine ist, heißt aber beileibe nicht, dass es keine westlichen Truppen in der Ukraine geben wird. Im Gegenteil. Die britisch-französischen Sondierungen erfolgten laut Le Monde aus Furcht, die Trump-Regierung, die im Januar das Steuer übernehmen wird, könne sich aus Europa zurückziehen und die Unterstützung der Ukraine den Europäern überlassen. Paradoxerweise wird aber die Entsendung westlicher (und dann auch deutscher) Truppen in die Ukraine gerade dann wahrscheinlicher, wenn sich Trump nicht zurückzieht, sondern daran geht, den Konflikt schnell einzufrieren.
Wie man an Trumps Tür klopft
Seit Trumps Wahlsieg schwirren zahlreiche Papiere, Artikel und Interviews durch den öffentlichen Raum der USA, deren Autoren alle eines gemeinsam haben: Sie stammen aus dem Dunstkreis Donald Trumps und hätten gerne wieder einen einflussreichen Job in seiner künftigen Regierung oder im Weißen Haus. Um die Aufmerksamkeit derer zu erregen, die dieses Trump-Team zusammenstellen werden, gehen sie mit ihren Vorschlägen an die Öffentlichkeit, was an sich schon ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass sie nicht mehr zum engsten Kreis um Trump gehören.
Manche der Militärs und Außenpolitiker unter ihnen machen deshalb weitreichende Vorschläge für eine „neue Ukrainepolitik“, die Medien dann als Indiskretion darüber interpretieren, was Trump angeblich vorhat. So schrieb Mike Pompeo, ehemaliger Außenminister unter Trump, im Wall Street Journal einen aufsehenerregenden Artikel mit dem Titel „Ein Trump-Plan für die Ukraine“, den vielen Kommentatoren als Ankündigung des künftigen Verteidigungsministers interpretierten. Inzwischen ist klar: Pompeo wird gar nicht Verteidigungsminister und er hat uns auch nicht die Pläne des Trump-Teams für die Ukraine verraten. Ähnlich verhält es sich mit anderen angeblichen Leaks aus dem Trump-Team in der Washington Post und dem Wall Street Journal: Da verriet niemand Trumps Pläne, sondern klopfte an Trumps Tür und machte auf sich aufmerksam.
So war das auch mit Keith Kellogg, einem emeritierten General, ehemaligen Berater Pompeos und Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats. Der schrieb (zusammen mit einem Autor aus dem CIA-Establishment) für das Trump-nahe republikanische „America First Policy Institute“ ein Pompeo-ähnliches Policy Paper, das sich auch liest wie ein Versuch, an Trumps Tür zu klopfen. Der Text ist mehr ein Pamphlet gegen Joe Biden als ein Plan für eine andere Ukraine-Politik, aber er ist deutlich interessanter als seine Vorgänger, denn: Kellogg wird Trumps Sondergesandter für die Beendigung des Kriegs Russlands gegen die Ukraine. Man kann also in weit größerem Maße als bei den anderen Wortmeldungen davon ausgehen, dass das, was Kellogg da niederschrieb, in der einen oder anderen Weise auch in Trumps Politik einfließen wird.
Mehr Druck auf die Ukraine
Demnach wird die neue Administration ab Januar nicht mehr nur Druck auf Russland, sondern auch auf die Ukraine ausüben, um sie an den Verhandlungstisch zu bringen. Zuerst soll die Ukraine aber weiter aufgerüstet werden, um so die Kosten für eine Weiterführung des Krieges für Russland maximal zu erhöhen. Falls Russland einem Waffenstillstand und einer demilitarisierten Zone zustimmt, sollen einige der Russland-Sanktionen aufgehoben werden. Ist Putin sogar bereit, einen Friedensvertrag mit der Ukraine zu unterschreiben, verschwinden alle Sanktionen. Die Ukraine dagegen verliert die Gebiete, die Russland annektiert hat, muss diesen Verlust aber nur de facto anerkennen: Verändern darf sie den territorialen Status quo nur diplomatisch, andernfalls verliert sie die amerikanische Unterstützung. Das ist gewissermaßen das Zuckerbrot für die Ukraine. Das Zuckerbrot für Russland ist deutlich größer und schmackhafter: Die Sanktionen werden aufgehoben und der Ukraine wird für einen bestimmten Zeitraum der Weg in die Nato versperrt.
Das ist alles noch wenig detailliert und unausgegoren und teilweise aus einem alten Foreign-Affairs-Artikel abgekupfert, aber es stimmt in einigen wesentlichen Punkten mit früheren Leaks aus dem Trump-Lager überein: mehr Druck auf die Ukraine, ein Waffenstillstand, die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine wird auf Eis gelegt und es wird eine entmilitarisierte Zone entlang der Waffenstillstandslinie eingerichtet. Und genau hier ist der Hund begraben.
UN-Missionen: Frieden machen ohne Waffen
Diese Waffenstillstandslinie wäre nämlich zurzeit etwa 2300 Kilometer lang, wobei noch offen ist, ob die ukrainisch-belarussische Grenze wegen der in Belarus stationierten russischen Truppen und der Beteiligung des Landes am Angriff auf die Ukraine nicht mit einbezogen werden müsste. Das wären dann über 3300 Kilometer Landgrenze, die überwacht werden müssten. Zum Vergleich: Im Libanon überwachen 10.000 Blauhelme die nur 79 km lange Grenze zwischen Israel und dem Libanon. Sie kosten pro Jahr ungefähr eine halbe Milliarde Euro.
Einer der Aspekte, die sich durch alle derzeitigen US-Leaks über Trumps Ukraine-Pläne ziehen, ist die möglichst geringe Beteiligung der USA an den Kosten ihrer eigenen Friedenspläne. Das nämlich bedeutet, dass die Europäer nicht nur für die Kosten des Plans, sondern auch für die Aufrüstung der Ukraine und für die Friedenstruppe bezahlen sollen, die die entmilitarisierte Zone überwachen muss. Dafür sorgen wird nicht nur die „America first“-Politik der neuen US-Regierung, sondern auch die russische Haltung.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kreml einem Waffenstillstand zustimmt, der dazu führt, dass an der russischen Westgrenze zehntausende Nato-Truppen unter amerikanischer Führung stationiert werden. Eine solche entmilitarisierte Zone muss ja von beiden Seiten bewacht werden – was bedeutet, dass eine Friedenstruppe auch auf russischem (bzw. belarussischem) Gebiet stationiert werden müsste.
Bisher kamen in solchen Situationen immer UN-Blauhelme zum Einsatz. Der UN-Sicherheitsrat beschließt ihren Einsatz, die Mitgliedsländer stellen Kontingente zur Verfügung und tragen die Kosten. Dabei gibt’s oft auch ein eigenartiges „Burden sharing“ zwischen Nord und Süd: Arme Länder aus dem Süden schicken Soldaten, die von reicheren Ländern aus dem Norden ausgerüstet werden. Die Ausrüstung ist meist billig und schlecht, denn tote oder verunglückte Soldaten aus dem Süden sorgen im reichen Norden ja nicht für Schlagzeilen und manche der armen Länder aus dem Süden (und ihre Soldaten) verdienen daran, dass sie sich für solche Einsätze melden.
Außerdem sollen Blauhelme ja neutral sein und niemanden provozieren, haben also in der Regel keine schweren Waffen, keine Panzer, keine Flugabwehr, sondern fahren in gut sichtbaren weißen Jeeps durch die Gegend, tragen weiße Helme und hoffen, dass niemand auf sie schießt. Und in der Regel dürfen sie ihre Waffen ohnehin nur zur Selbstverteidigung gebrauchen.
Bei der UNAMIR-Truppe, die während des Völkermords in Rwanda war, führte das dazu, dass die Soldaten tatenlos zusehen mussten, wie bewaffnete Banden Zivilisten abschlachteten. Solange die Banden die UN-Truppe nicht angriffen, war diese zum Zusehen verurteilt. Und das wussten die Banden, denn die rwandische Regierung, die sie ausgerüstet hatte, genoss damals als nicht-ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats umfassende Akteneinsicht. So wird’s auch bei einer Donbass- und Krim-Friedenstruppe sein: Russland wird alles über sie wissen, kann jede Änderung ihres Mandats im UN-Sicherheitsrat blockieren und die Uniformierten aus aller Welt müssen hilflos zusehen, wie die russischen Behörden (wie bisher) die annektierten Gebiete von Ukrainern und Krim-Tataren säubern und russifizieren.
Wer sich also dieser Tage gewundert hat, weshalb die UNIFIL-Truppen im Libanon nichts gegen die Raketen taten, die Israel und die Hisbollah über ihre Köpfe hinweg abfeuerten, und passiv blieben, als die Hisbollah unter ihnen Tunnels an die israelische Grenze buddelte oder warum israelische Panzer ungefragt in einen UNIFIL Compound ratterten, der hat hier die Antwort: Dies gewaltsam zu verhindern, hatten die Blauhelme weder den Auftrag, noch die Mittel.
Man bekommt Gänsehaut bei möglichen Friedensplänen
Von der Regel, dass Blauhelme höflich, zurückhaltend, friedlich und neutral sein müssen, gab es bisher erst eine Ausnahme. 2013 war sich der UN-Sicherheitsrat ausnahmsweise einmal einig, stellte eine schlagkräftige Truppe zusammen, zu der einige militärische Schwergewichte Truppen, Panzerfahrzeuge und Helikopter beitrugen und erteilte ihr dann das Mandat, bewaffnete Milizen im Ostkongo zu entwaffnen. Sie begann mit 3000 Mann und erreichte auf dem Höhepunkt ihrer Einsätze eine Stärke von knapp 20.000. Ihr Kern war eine „Force Intervention Brigade“ aus tansanischen, malawischen und südafrikanischen Infanteristen, die von südafrikanischen Kampfhubschraubern unterstützt wurden.
In teilweise heftigen Kämpfen gelang es der Brigade tatsächlich, die Milizen zu vertreiben. Das hatte einen Preis: Der Teil der Zivilbevölkerung, der die Milizen unterstützte, wandte sich gegen die UN-Truppe und eine zweistellige Zahl an Soldaten starb bei Angriffen und Hinterhalten der Milizen. Für die UNO war der Einsatz eine Art Revolution: Sie war vom Peacekeeping zum Peace Enforcement übergegangen. Möglich war das nur, weil alle Regierungen, die mit Milizen im Ostkongo zusammengearbeitet hatten, dem Einsatz zustimmten und keines der Länder, das Truppen stellte, selbst Interessen im Ostkongo hatte. So einfach wird’s im Donbass also nicht werden.
Überträgt man diese Logik auf einen ukrainisch-russischen Waffenstillstand, bekommt man ohnehin eine Gänsehaut. Dafür würde eine enorme Anzahl sehr gut ausgerüsteter Soldaten mit einem sehr robusten UN-Mandat benötigt, die enorme Summen verschlingen würden. Ihr Mandat kann nur vom UN-Sicherheitsrat kommen, wo Russland und China ein Vetorecht haben und jede Verlängerung des Mandats verhindern können. Die riesige Truppe dürfte, um einem russischen Veto aus dem Weg zu gehen, auch keine US-Amerikaner und womöglich nicht einmal Nato-Truppen umfassen. Andernorts würde man Soldaten aus neutralen Ländern engagieren, die Blauhelm-Erfahrung haben und dann über die UNO von westlichen Geberländern finanziert und ausgerüstet werden.
Aber in einem High-Tech-Krieg mit modernsten Drohnen, ballistischen Raketen und Satelliten-gestützten Marschflugkörpern stößt das traditionelle UN-Friedenstruppenmodell an seine Grenzen. Sollen Blauhelme aus Bangladesch, Ghana, Rwanda und Indien in ihren weißen Jeeps beobachten – oder gar verhindern –, wie sich Russland und die Ukraine mit Unterwasserdrohnen, Marschflugkörpern und Laserwaffen bekriegen?
Im Interesse beider Seiten müssten da also westliche Truppen mit moderner Infrastruktur stationiert werden, die aber aus Ländern kommen, die weder die russische noch die ukrainische Regierung als direkte Gefahr ansehen: Indien, China, die Bundesrepublik, Spanien, Süd-Afrika. Die müssten dem allerdings zustimmen und die anderen Europäer, denen ja am Frieden am meisten gelegen ist, müssten den Preis dafür bezahlen. Eine der in den US-Medien geleakten angeblichen Trump-Ideen sieht sogar vor, eine solche Friedenstruppe außerhalb der UNO aufzustellen (Trump mag die UNO ja nicht besonders), gewissermaßen nach dem Vorbild der von Russland dominierten Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit oder der (von Nigeria dominierten) Westafrikanischen Union. Das Problem dabei: Regierungen nicht-europäischer Länder werden dann kaum bereit sein, Truppenkontingente zu stellen und manche europäischen Länder (wie die Bundesrepublik) dürfen sich ohne UN-Mandat gar nicht an so etwas beteiligen.
Nimmt man ernst, was Kellogg und einige andere republikanische Vordenker vorgeschlagen haben, würde diese riesige Friedenstruppe so lange zwischen ukrainischen und russischen Truppen ausharren müssen, bis sich die Ukraine und Russland auf einen Friedensvertrag geeinigt haben. Je nach dessen Modalitäten kann es aber sein, dass ein Teil weit länger in der Ukraine verbleibt – als Sicherheitsgarantie für die Ukraine. Das wiederum bedeutet: einige europäische Länder werden auf Jahre hinaus weit stärker in den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine involviert sein, als das bisher, in der heißen Phase des Konflikts, der Fall war. Wer jetzt noch keine Gänsehaut hat, der möge sich vorstellen, dass der Waffenstillstand gebrochen wird und diese Friedenstruppe dann zwischen die Fronten gerät – ähnlich wie kürzlich UNIFIL im Südlibanon, UNAMIR damals in Rwanda oder Dutchbat bei der Eroberung Srebrenicas durch die bosnischen Serben.