Bundeskanzler Olaf Scholz warnt bei seiner Rede vor den Vereinten Nationen vor einer „Scheinlösung“ im Ukrainekrieg. Im 21. Jahrhundert sei kein Platz für Revisionismus und Imperialismus.
„Frieden ohne Freiheit heißt Unterdrückung. Frieden ohne Gerechtigkeit nennt man Diktat. Das muss nun endlich auch in Moskau verstanden werden.“ Mit diesen Worten hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sich in seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen an Moskau gewandt.
Der Bundeskanzler warnte zugleich vor Scheinlösungen, die „Frieden“ lediglich im Namen tragen würden. „Russland ist für diesen Krieg verantwortlich. Und es ist Russlands Präsident, der ihn mit einem einzigen Befehl jederzeit beenden kann“, sagte Scholz. Damit Putin das tue, müsse er verstehen, „dass wir – die Staaten der Vereinten Nationen – es ernst meinen mit unseren Prinzipien. Dass wir in der multipolaren Welt des 21. Jahrhunderts keinen Platz mehr sehen für Revisionismus und Imperialismus.“
Scholz begann seine Rede mit der Erinnerung daran, dass Deutschland – die Bundesrepublik und die DDR – vor 50 Jahren den Vereinten Nationen beigetreten sei. Drei Voraussetzungen habe es dafür gegeben: den Verzicht auf Gewalt als Mittel der Politik, die Ablehnung jeder Form des Revisionismus, einschließlich der Verschiebung von Grenzen, und das Bekenntnis zur Zusammenarbeit über Trennendes hinweg. Diesen Idealen fühle sich Deutschland weiter verpflichtet.
Mehr Kooperation wagen
Der Bundeskanzler, der in diesem Amt zum zweiten Mal vor der Generalversammlung sprach, zitierte seinen sozialdemokratischen Vorgänger Willy Brandt, der vor 50 Jahren gesagt habe: „In einer Welt, in der zunehmend jeder von jedem abhängt, darf Friedenspolitik nicht vor der eigenen Haustür haltmachen.“ Deshalb laute das Gebot der Stunde nicht weniger Kooperation – was heute mitunter als „de-coupling“ oder als „Zusammenarbeit nur unter Gleichgesinnten“ verpackt werde –, sondern mehr Kooperation. „Denn nur so lassen sich auch die Risiken allzu einseitiger Abhängigkeiten abbauen.“
Das gelte umso mehr in einer Welt, die nicht mehr nur zwei Machtzentren kennt. Multipolarität sei aber keine neue Ordnung, sondern eine Zustandsbeschreibung. „Wer damit verbindet, dass kleinere Länder der Hinterhof größerer Länder sind, der irrt“, wendete sich Scholz gegen ein Verständnis des Begriffs, wie er in Russland vorherrscht.
Scholz mahnte auch das Erreichen der Klimaziele an. Deutschland erfülle auch seine Zusagen zur internationalen Klimafinanzierung. Von zwei Milliarden Euro im Jahr 2014 habe es seinen Beitrag im letzten Jahr auf sechs Milliarden Euro verdreifacht. Der Bundeskanzler plädierte zudem für eine Reform des Sicherheitsrates. „Afrika gebührt mehr Gewicht, so wie auch Asien und Lateinamerika.“
Ergebnisoffene Verhandlungen sollte kein Land mit Maximalforderungen blockieren. Letztlich liege es in der Hand der Generalversammlung, über eine Reform des Sicherheitsrates zu entscheiden, sagte Scholz, ohne ausdrücklich auf Deutschlands Ambitionen auf einen ständigen Sitz einzugehen. Deutschland wolle bis zu einer Reform als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrates Verantwortung übernehmen, sagte Scholz, der darum bat, die deutsche Kandidatur für die Jahre 2027/28 zu unterstützen.
Quelle : faz