Papst in Lissabon: „wohin Steuerst Du, Europa?“

Papst Franziskus hat von der portugiesischen Hauptstadt Lissabon aus „das Fehlen eines mutigen Friedenskurses“ im Ukraine-Konflikt beklagt. Angesichts der derzeitigen „stürmischen Situation“ frage er Europa: „Wohin steuerst du, wenn du der Welt keinen Friedenskurs vorschlägst?“

Es gehe um „kreative Wege“, um dem Krieg in der Ukraine und weiteren Konflikten ein Ende zu setzen, so Franziskus im Kulturzentrum von Belém. Es war seine erste Ansprache auf portugiesischem Boden, kurz nach seiner Ankunft in Lissabon, bei einer Begegnung mit Spitzenkräften aus Staat und Gesellschaft.

„Und eine weitere Frage, vor einem größeren Horizont: Welchen Kurs verfolgst du, Westen? Deine Technologie, die den Fortschritt markiert und die Welt globalisiert hat, reicht allein nicht aus. Noch weniger reichen die fortschrittlichsten Waffen, die keine Investitionen für die Zukunft darstellen, sondern eine Verarmung des wahren Kapitals der Menschen, nämlich jenes der Bildung, der Gesundheitsversorgung und des Sozialstaats. Es ist besorgniserregend, wenn man liest, dass an so vielen Orten ständig finanzielle Ressourcen in Waffen investiert werden, statt in die Zukunft der Kinder.“

„Nicht in Waffen investieren, sondern in die Zukunft der Kinder“

Er träume von einem Europa „als dem Herzen des Westens“, das sich um die Beilegung von Konflikten bemühe und „das Völker und Menschen einbezieht, ohne ideologischen Theorien und Kolonialisierungen hinterherzulaufen“, so der Papst. Franziskus war am Vormittag in Lissabon eingetroffen und hatte zunächst Gespräche mit Politikern, namentlich Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa, geführt.

Der argentinische Papst ist auch Träger des Aachener Karlspreises für europäische Verständigung. Dementsprechend erinnerte er in seiner Lissaboner Rede auch an den grundlegenden EU-Reformvertrag, der dort 2007 unterzeichnet wurde. Aus dem Text spreche „der Geist des Zusammenseins, beseelt vom europäischen Traum eines Multilateralismus, der über den bloßen westlichen Kontext hinausgeht“, so die Interpretation des Papstes.

„Denn die Welt braucht Europa, das wahre Europa: Sie braucht seine Rolle als Brückenbauer und als Friedensstifter in dessen östlichem Teil, im Mittelmeerraum, in Afrika und im Nahen Osten. So wird Europa in der Lage sein, auf dem internationalen Parkett seine besondere Originalität einzubringen, die sich im vergangenen Jahrhundert herausgebildet hat, als es aus dem Schmelztiegel der Weltkonflikte heraus den Funken der Versöhnung überspringen ließ.“

Franziskus‘ 42. Auslandsreise gilt vor allem der Teilnahme am 37. katholischen Weltjugendtag (WJT), der am Dienstag Abend in Lissabon begonnen hat. Er hoffe, dass der Weltjugendtag „für den ‚alten Kontinent‘ ein Impuls weltweiter Öffnung wird“, sagte er in seiner ersten Rede. Ein „Meer junger Menschen“ treffe sich in Lissabon, der „Stadt des Ozeans“ – einem Ort des „Zusammenseins“, wo man lerne, „Grenzgebiete als Berührungspunkte zu verstehen und nicht als Grenzen, die trennen“.

Kritik an Gesetzen zu Abtreibung und Euthanasie

Kaum verhüllt kritisierte der Gast aus Rom Portugal und andere westliche Staaten allerdings für ihre liberale Gesetzgebung in Sachen Abtreibung und Euthanasie sowie für ihren Umgang mit Flüchtlingen und Migranten.

„Man könnte auch hier sagen: Wohin steuert ihr, Europa und Westen, mit der Ausgrenzung älterer Menschen, den Mauern mit Stacheldraht, den Massakern auf See und den leeren Wiegen? Wohin steuert ihr, wenn ihr angesichts des Leidens im Leben oberflächliche und falsche Heilmittel anbietet, wie den einfachen Zugang zum Tod, eine Bequemlichkeitslösung, die lieblich erscheint, aber in Wirklichkeit bitterer ist als das Meereswasser?“

Ein Saramago-Zitat

Allerdings legte Franziskus Wert darauf, seine Rede mit einer positiven Note zu beschließen. Er lobte Portugals und Europas Anstrengungen zum Schutz der Umwelt (die allerdings nicht ausreichten), ermunterte zu einer Politik, die „der Geburtenabnahme und dem Rückgang des Lebenswillens“ entgegenwirkt – und zitierte sogar den verstorbenen Literatur-Nobelpreisträger José Saramago (der ein ausgesprochener Kirchenkritiker und Atheist war) als einen Kronzeugen für Geschwisterlichkeit.

„Wie schön ist es, wenn wir uns als Brüder und Schwestern wiederentdecken, wenn wir uns für das Gemeinwohl einsetzen und dabei Gegensätze und Unterschiede in den Ansichten hinter uns lassen! Auch darin sind uns die jungen Menschen ein Beispiel, die uns mit ihrem Ruf nach Frieden und ihrer Lebenslust dazu bringen, die starren Zäune der Zugehörigkeit einzureißen, die im Namen unterschiedlicher Auffassungen und Glaubensüberzeugungen errichtet worden sind… Fühlen wir uns alle zusammen geschwisterlich dazu aufgerufen, der Welt, in der wir leben, und diesem wunderbaren Land Hoffnung zu geben. Gott segne Portugal!“

Der Präsident würdigte Franziskus in einer bemerkenswert kurzen Ansprache als „Zeugen für die Würde des Menschen“. Er würdigte das Engagement des Papstes für Frieden und Geschwisterlichkeit. „Und mit Ihnen empfängt Lissabon auch mit offenen Armen die jungen Katholiken, die Gläubigen verschiedener Religionen und die Nichtgläubigen, die Ihrer Einladung folgen.“

Die Botschaft, die vom Lissaboner WJT ausgehen soll, brachte Marcelo Rebelo de Sousa, ein früherer Juraprofessor und Journalist, auf folgende Formel: „Schlaft nicht ein! Versinkt nicht in Apathie! Erhebt euch gegen Ungerechtigkeit! … Hinterlasst Spuren in dieser Welt!“

Quelle : vaticannews

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