Die von Donald Tusk angeführte „Bürgerkoalition“ kommt zusammen mit dem zentristischen „Dritten Weg“ und der Linken auf eine Mehrheit der Sitze. Die drei Kräfte haben schon vor der Wahl eine Zusammenarbeit angekündigt.
Bei der Parlamentswahl in Polen ist die regierende nationalkonservative Partei PiS dem offiziellen Endergebnis vom Dienstag zufolge stärkste Kraft geworden, hat die Mehrheit im Abgeordnetenhaus, dem Sejm, aber verloren. Nach Auszählung aller Wahlkreise kam die PiS („Recht und Gerechtigkeit“) auf 35,38 Prozent der Stimmen.
Das sind gut acht Prozentpunkte weniger als bei der vorigen Wahl im Jahr 2019. Damals kam die von Jarosław Kaczyński geführte Partei noch auf einen Wähleranteil von 43,6 Prozent und konnte seither durch die Regierung von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki allein regieren.
Zweitstärkste Kraft wurde die von Oppositionsführer Donald Tusk angeführte liberale „Bürgerkoalition“ (KO) mit 30,7 Prozent der Stimmen, sie verbesserte sich um rund vier Prozentpunkte. Tusk erzielte mit 538.634 persönlichen Stimmen in Warschau das höchste Einzelergebnis in einer polnischen Parlamentswahl. Auf die KO folgte das zentristische Wahlbündnis „Dritter Weg“ mit 14,4 Prozent Wähleranteil, danach die Linke mit 8,61 Prozent.
Tusks „Bürgerkoalition“, der „Dritte Weg“ und die Linke hatten schon vor der Wahl am Sonntag angekündigt, nach der Wahl zusammenarbeiten zu wollen. Laut der Wahlkommission kommen die drei Kräfte im neuen Sejm auf eine Mehrheit von 248 von 460 Sitzen.
Knapp 85 Prozent Wahlbeteiligung in Warschau
Die extrem rechte „Konföderation“ kam auf 7,16 Prozent und blieb damit unter den Erwartungen, die von deutlichen Zugewinnen dieser Partei ausgingen. Die Wahlbeteiligung lag mit 74,38 Prozent deutlich über allen bisherigen Wahlen seit dem Fall des kommunistischen Regimes im Jahr 1989. Die Beteiligung lag gerade in den von der Opposition dominierten Großstädten noch einmal höher. In Warschau hatten sich 84,9 Prozent der Wahlberechtigten an der Wahl beteiligt.
Das am Wahltag abgehaltene Referendum unter anderem zu Fragen der Migration ist hingegen aufgrund einer zu geringen Beteiligung gescheitert. Nur 41,2 Prozent der polnischen Wahlberechtigten stimmten laut der staatlichen Wahlkommission ab, Erst ab einer Beteiligung von 50 Prozent ist das Ergebnis bindend. Die Oppositionsparteien hatten zum Boykott des von der Regierungspartei PiS iniitierten Referendums aufgerufen. Die PiS versuchte mit ihm, ihre Wähler zu mobilisieren.
In der Regierungsbildung ist nun Staatspräsident Andrzej Duda am Zug. Staatssekretärin Małgorzata Paprocka deutete an, dass der Präsident zunächst den Spitzenkandidaten der wählerstärksten Partei, also der PiS, mit der Regierungsbildung beauftragen könnte. Sollte dieser erste Versuch scheitern, wäre in einem zweiten Versuch das von der Opposition dominierte neue Parlament an der Reihe.
Schlecht ausgegangen ist die Wahl für die deutsche Minderheit. Ihre Liste in der Woiwodschaft (Regierungsbezirk) Oppeln erhielt diesmal nur knapp 26.000 Stimmen, zu wenig für ein Mandat. Obwohl sie wie alle ethnischen Minderheiten von der Fünfprozenthürde befreit ist, wird sie erstmals nicht im Abgeordnetenhaus vertreten sein.
Rafał Bartek, Vorsitzender des Regionalparlaments in Oppeln und zugleich des Verbandes der Deutschen SKGD, sagte der F.A.Z.: „Wir hören von vielen Seiten, dass unsere Wähler sich diesmal an der großen Richtungsentscheidung beteiligen wollten und deshalb nicht uns gewählt haben.“ Aufgrund des Siegs der Mitte-links-Kräfte zeigten sich ihre Politiker zugleich „überzeugt, dass die schändliche Diskriminierung der 55.000 Kinder der Minderheit“, etwa durch die 2021 erfolgte Kürzung des muttersprachlichen Deutschunterrichts, jetzt ein Ende haben werde.
Quelle : faz