Die Lage im Wohnungsbau ist so düster wie seit 30 Jahren nicht mehr. Fast jedes zweite Unternehmen klagt über fehlende Aufträge. Die Bundesregierung will Familien beim Neubau stärker unterstützen.
Die Stornierungswelle und der Mangel an Neuaufträgen setzen den Bauunternehmen in Deutschland immer mehr zu. Im September seien 21,4 Prozent der Firmen von stornierten Projekten im Wohnungsbau betroffen, nach 20,7 Prozent im Vormonat, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zu einer Umfrage mitteilte. „Viele Projekte sind wegen der höheren Zinsen und gestiegenen Baukosten nicht mehr wirtschaftlich umsetzbar“, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. „Die Wohnungen, die heute nicht begonnen werden, werden uns in zwei Jahren auf dem Mietmarkt fehlen.“
Auch die Klagen über einen Auftragsmangel in der Branche werden immer lauter: Derzeit zeigen sich 46,6 Prozent der Firmen davon betroffen, nach 44,2 Prozent im August. „Das ist eine Verdreifachung innerhalb der letzten zwölf Monate“, sagte Wohlrabe. „Die Entwicklung ist dramatisch.“ Infolge der rasant gestiegenen Baukosten und des wesentlich höheren Zinsniveaus sind viele Projekte, die Anfang 2022 noch rentabel waren, aktuell nicht mehr finanzierbar.
Die Umfrage wurde noch vor dem Wohnungsbaugipfel Ende September erhoben, bei dem Bundesregierung und Vertreter der Baubranche zusammenkamen. Dabei wurden 14 Maßnahmen beschlossen, darunter eine großzügigere Ausgestaltung der Regeln für Abschreibungen. „Es bleibt abzuwarten, ob die angekündigten Maßnahmen den Wohnungsbau beleben können“, sagte Wohlrabe. „Die Rahmenbedingungen für den Neubau sind jedenfalls mehr als schwierig.“
Mehr Unterstützung für Familien
Entsprechend schlecht ist die Stimmung auch in den Unternehmen: Das Ifo-Geschäftsklima im Wohnungsbau notiere mittlerweile auf dem tiefsten Stand seit Beginn der Erhebung 1991, sagte Wohlrabe. Das Barometer liegt aktuell bei minus 54,8 Punkten. „Kurzfristig ist keine Besserung in Sicht und es bleibt abzuwarten, ob die Talsohle bereits durchschritten ist“ so die Ifo-Forscher. Mittelfristig werde vor allem entscheidend sein, wie sich die Leitzinsen entwickeln.
Währenddessen will die Bundesregierung Familien stärker als bisher beim Bau ihres eigenen Hauses unterstützen. Die Konditionen für zinsverbilligte Kredite über das Programm „Wohneigentum für Familien“ würden deutlich verbessert, teilte das Bauministerium am Montag mit. „Damit wird noch mehr Familien der Zugang zum Förderprogramm ermöglicht“, hieß es. Neben einer Erhöhung der Einkommensgrenzen würden zudem Kredithöchstbeträge sowie Zinskonditionen geändert.
Mit dem Programm sollen Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen beim Neubau eines klimafreundlichen Hauses unterstützt werden. Dafür erhalten sie zinsgünstige Kredite von der Förderbank KfW. Zunächst lief das Programm jedoch nur sehr schleppend an, was Experten auf die harten Kriterien zurückführten. Denn: Die Familien durften nicht zu viel verdienen. Bei einem Kind galt bisher eine Grenze des zu versteuernden Haushaltseinkommens von 60.000 Euro.
Diese Grenze wird laut Ministerium nun auf 90.000 Euro angehoben. Für jedes weitere Kind kommen weitere 10.000 Euro dazu, so dass eine Familie mit zwei Kindern bis zu 100.000 Euro verdienen darf. „Wir erhöhen zudem die Kredithöchstbeträge um 30.000 Euro“, erklärte Bauministerin Klara Geywitz (SPD). „Und das alles für äußerst attraktive Zinskonditionen von unter einem Prozent.“ Konkret können für klimafreundliche Gebäude jetzt 170.000 Euro zu den günstigen Konditionen aufgenommen werden. Das gilt für Familien mit einem oder zwei Kindern. Größere Familien und auch Familien, die noch klimafreundlicher bauen, können mehr Geld bekommen.
Quelle : faz