Die ersten Absolventinnen und Absolventen des Islamkollegs Deutschland (IKD) haben am Samstag in Osnabrück ihre Zertifikate erhalten. Alt-Bundespräsident Wulff sprach von einem historischen Tag.
Nie zuvor sei es möglich gewesen, dass Imame ihre Ausbildung in Deutschland in deutscher Sprache abschließen, sagte Christian Wulff, Vorsitzender des IKD-Kuratoriums. Dabei sei dies angesichts der Millionen in Deutschland lebenden Muslime längst überfällig gewesen. “Es ist ein großer Beitrag zur Integration”, sagte Wulff. Bei der feierlichen Übergabe in der Katholischen Familien-Bildungsstätte Osnabrück erhielten 26 Muslime und Musliminnen ein Abschlusszertifikat für ihre zweijährige Ausbildung. Dies bescheinigt ihnen – erstmals in der deutschen Geschichte -, dass sie nun ausgebildetes muslimisches Religionspersonal sind.
Angehende Imame lernen an einem Wochenende im Monat gemeinsam
Ein Wochenende im Monat haben die Teilnehmenden digital oder in verschiedenen deutschen Städten gemeinsam gelernt. Dabei ging es unter anderem um Gemeindepädagogik, Predigtlehre und politische Bildung. Nach Angaben des Islamkollegs haben von 18 Absolventen 17 ein Abschlusszertifikat in der grundständigen islamtheologischen praktischen Ausbildung erhalten – 13 Männer und vier Frauen. Eine Frau werde die Prüfung im kommenden Jahr wiederholen. Acht weitere Personen haben an einer Aus- und Weiterbildung teilgenommen. Von diesen erhielten sieben das Abschlusszertifikat, eine Frau nehme an der Prüfung 2024 teil. Das IKD wird vor allem vom Bundesinnenministerium und vom Land Niedersachsen finanziert.
Uçar: “Wir leisten Pionierarbeit”
Zehn Jahre hatte Bülen Uçar, Professor für islamische Theologie in Osnabrück, für die Eröffnung und Finanzierung der Ausbildung im Juni 2021 gekämpft. Es sei schwer gewesen, einerseits Politiker von der Idee zu überzeugen und andererseits muslimische Verbände und Forschende an einen Tisch zu bringen. “Was wir hier machen, ist eine Pionierleistung. Es ist absolut neu im deutschsprachigen Raum.”
Auch die Macher haben dazugelernt
Die ersten beiden Jahre des IKD waren auch für die Macher eine turbulente Zeit. So wechselte die Geschäftsführung, die Kollegiaten wünschten sich andere Prüfungsorte, der Lehrplan musste angepasst und neue Dozentinnen und Dozenten mussten gefunden werden. Letzteres sei besonders schwierig, weil es noch nicht viel geeignetes Personal in Deutschland gebe, sagt Uçar. “Wir haben eine enorme Aufbauarbeit geleistet, dabei sicherlich auch Fehler gemacht, vieles gelernt, manche Sachen ganz neu erfunden und manches auch umgeschmissen.”
Muslimische Verbände hatten Sorge vor Einmischung
Einige muslimische Verbände befürchteten vor dem Start der Ausbildung, dass die Inhalte vom deutschen Staat vorgegeben werden könnten. Denn der finanziert erstmals eine Imam-Ausbildung. “Aber das ist mitnichten so gewesen”, sagt Uçar. Keine Regierung habe versucht, Einfluss zu nehmen, betont er.
Der größte muslimische Verband in Deutschland, die türkische Ditib, ist nicht Teil des IKD in Osnabrück und bildet seit 2020 eigenes Personal aus. Die Imame der Ditib-Gemeinden, die meist noch für fünf Jahre aus der Türkei nach Deutschland entsandt werden, werden von der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet bezahlt. Uçar: “Ich glaube, dass eine Zusammenarbeit mit der Ditib beiden Seiten genützt hätte. Und ich bin weiterhin optimistisch und zuversichtlich, dass eine solche Zusammenarbeit auch zustande kommen kann.”
Weiter unklar, wie Imame finanziert werden
Kleine Moscheevereine, die keinem Verband angehören, nehmen Mitgliedsbeiträge, meist im niedrigen zweistelligen Bereich, um Imam und Moschee zu finanzieren. Doch das reicht dem Imam meist nur für einen Minijob oder ein geringes Gehalt. Als Imam eine Familie zu finanzieren, ist so schwierig. Absolvent Muhamed Memedi wäre gern Vollzeit-Imam. Doch dafür reichen die Gelder in seiner kleinen Gemeinde eben nicht. “In der Zwischenzeit hätte man ruhig mal Stellen schaffen können. Aber das ist nicht passiert”, sagt Muhamed Memedi mit Blick auf die zwei Jahre Ausbildungszeit. Auch in der Bundeswehr gibt es bisher keine muslimischen Seelsorger – obwohl etwa 3.000 Soldatinnen und Soldaten muslimischen Glaubens dort dienen.
Auch Uçar wünscht sich hier mehr Hilfe vom Staat. “Die Kirchen und jüdischen Gemeinden werden massiv unterstützt, teilweise auch quersubventioniert. Bei den Moscheegemeinden in Deutschland haben wir das nicht.” Mit Blick auf die Unterstützung zum Beispiel aus der Türkei, müsse “die Bundespolitik sich die Frage stellen: Wie wichtig sind mir die Moscheegemeinden hier vor Ort?”
Quelle : NDR