Gegenwind für Lauterbachs Reformpläne

Bundesgesundheitsminister Lauterbach will das deutsche Kliniksystem grundlegend umgestalten. Damit das gelingt, muss er die Länder ins Boot holen. Doch die beharren auf ihren Kompetenzen.

Der Platz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist noch leer, als der Krankenhausgipfel eröffnet wird. Auch Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann aus Nordrhein-Westfalen ist noch nicht da, als der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Gerald Gaß die Veranstaltung einläutet. Gaß scherzt, die beiden hätten wohl noch was zu bereden. Eine Anspielung darauf, dass die Zeichen zwischen Lauterbach und drei unionsgeführten Ländern bei den Plänen für eine tiefgreifende Reform der Krankenhauslandschaft derzeit auf Konfrontation stehen.

Den Protest aus den Ländern hat Lauterbach bei seinem Vorhaben wohl schon eingepreist. Es ist das größte Reformvorhaben der Krankenhauslandschaft seit 20 Jahren. Lauterbach will das System grundlegend umgestalten. Experten sind sich weitgehend einig, dass das nötig ist. Denn die Krankenhauslandschaft gilt als teuer und ineffizient. Kliniken sollen künftig mehr Geld für ihre Fixkosten, etwa das Vorhalten von Personal, Technik oder Notaufnahmen erhalten. Dagegen sollen die Fallpauschalen bei der Abrechnung einen geringeren Stellenwert einnehmen. Das Kliniknetz soll in drei Versorgungsstufen eingeordnet und entsprechend finanziert werden.

Laumann gilt eigentlich als Vertrauter Lauterbachs

Am Wochenende hatten Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein jedoch angekündigt, die geplante Krankenhausreform auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen zu lassen. Sie befürchten Krankenhausschließungen und Eingriffe in ihre Länderkompetenzen, denn Krankenhausplanung ist Ländersache. Querschüsse aus Bayern waren dabei durchaus erwartbar. Bei Beobachtern hat sich der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) längst einen Namen als lautstarker Gegenspieler Lauterbachs gemacht, der keine Gelegenheit für Protest ungenutzt vorbeiziehen lässt.

Laumann dagegen gilt in puncto Krankenhausreform eigentlich als ein Vertrauter Lauterbachs. Beide kennen sich schon lange und schätzen sich. Beide wollen die Reform voranbringen. Aber vergangene Woche war es zum Eklat zwischen den beiden gekommen. Lauterbach hatte Laumann gewarnt, seine landeseigenen Pläne zur Umstrukturierung der Kliniklandschaft voranzutreiben. Dann werde es kein Geld vom Bund geben. Hintergrund ist, dass Laumann in Nordrhein-Westfalen schon seit drei Jahren an einer Reform arbeitet. Die unterscheidet sich in wichtigen Details von den Plänen, die Lauterbach bundesweit umsetzen möchte.

Aufgestauter Frust in den Kliniken

Dass der Besuch des Bundesgesundheitsministers beim Krankenhausgipfel kein Heimspiel werden würde, hatte sich also schon im Vorfeld abgezeichnet. Lauterbachs Pläne zur Krankenhausreform erhitzen seit Monaten die Gemüter in der Branche. Auch bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft hat sich viel Frust aufgestaut. Deren Vorsitzender Gaß hatte schon vorab kritisiert, dass die versprochenen Energiehilfen aufgrund ungünstiger Detailregelungen nur von sehr wenigen Krankenhäusern in Anspruch genommen werden könnten. Die DKG warnt seit Monaten vor einer “Krankenhaus-Insolvenzwelle”.

Wenig verwunderlich also, dass Gaß schnell das Thema Finanzen im Blick hat, als Lauterbach mit etwa acht Minuten Verspätung Platz nimmt. Gaß wendet sich mit seiner Bitte direkt an den Minister. Lauterbach solle auf Bundesfinanzminister Christian Lindner zugehen. Bisher hat sich Lauterbach mit konkreten finanziellen Forderungen für die geplante Reform zurückgehalten – wohl auch, weil er weiß, dass Lindner das Geld zusammenhalten möchte. “Besprechen Sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen in den Ländern einen großen Investitionsfonds”, fordert Gaß von Lauterbach. Zehn Milliarden Euro pro Jahr seien notwendig, um Standorte zu modernisieren, Klinikfusionen zu finanzieren und auch Schließungen auf den Weg zu bringen.

Nur ein kleiner Streit?

Frust und Finanznöte bei den Kliniken auf der einen Seite, Ärger bei den Ländern wegen der Krankenhausreform auf der anderen Seite – es ist also eine schwierige Gemengelage, als Lauterbach ans Podium tritt. Er räumt ein, die Lage der Krankenhäuser sei noch “nie so schwierig wie derzeit gewesen”. Als Gründe nennt er fehlendes Personal, hohe Kosten wegen der Inflation und fehlende Investitionen – ein Seitenhieb in Richtung Länder, denn sie kommen seit Jahren nicht ihrer Verpflichtung nach, ausreichend Geld für die Investitionskosten der Kliniken bereitzustellen. Laut Verband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) lag die Investitionsquote der Länder im Jahr 1972 noch bei 25 Prozent und sank jahrelang auf etwa drei Prozent im Jahr 2020. Die Höhe der Investitionen unterscheidet sich dabei von Bundesland zu Bundesland.

Vor allem will Lauterbach aber wohl die Wogen glätten, die Länder bei der Krankenhausreform ins Boot holen. Lauterbach weiß, wie wichtig der Gesundheitsminister aus Nordrhein-Westfalen in diesem Prozess für ihn noch sein könnte. Ihr kleiner Streit werde die gemeinsame Arbeit doch nicht belasten, scherzt Lauterbach in Richtung Laumann. Er braucht den Minister aus dem großen unionsgeführten Flächenland an seiner Seite. Das Wohl der Patienten liege bei der geplanten Reform doch auf der Hand, erläutert Lauterbach. Die Qualität der Behandlung werde besser. Schwierige Eingriffe, etwa im onkologischen Bereich, sollten künftig nur noch in zertifizierten Zentren durchgeführt werden. Auch die Versorgung auf dem Land werde gesichert. Die Planungshoheit bleibe bei den Ländern.

Länder wollen keine “Bundesschablone”

Lauterbachs Charmeoffensive in Richtung Länder geht nur in Teilen auf. In der anschließenden Diskussion macht NRW-Gesundheitsminister Laumann nochmals deutlich, dass es ohne die Zustimmung der Länder im Bundesrat keine Reform geben werde. Er könne nicht zulassen, dass eine “Bundesschablone” über die Länder gelegt werde. Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) stimmt zu, die Gestaltungshoheit der Länder bei der Klinikplanung müsse erhalten bleiben. Gleichzeitig betonen beide, bis Ende des Jahres müsse ein konkreter Gesetzentwurf vorgelegt werden.

Am Ende wird es wohl auch darauf ankommen, inwiefern man sich auf Länderöffnungsklauseln wird einigen können, also bestimmte Ausnahmen, um auf regionale Gegebenheiten einzugehen. Insgesamt sechs Verhandlungsrunden zwischen Bund und Ländern soll es bis zum Sommer geben, zumindest Eckpunkte für die Reform sollen dann stehen. “Ich bin ein impulsiver Mensch, Herr Lauterbach ist es auch”, sagt Laumann dann doch noch etwas versöhnlicher. Die kürzliche Meinungsverschiedenheit wolle er nicht zu hoch hängen und sich in Berlin weiter für ein Gelingen der Reform einsetzen. Lauterbach wird ihn wohl beim Wort nehmen.

Source : Tages Schau

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