EU-Gipfel in Granada:Europa – der Krisenkontinent

Europas Regierungschefs scheuen nicht die große Bühne. Zwei Tage treffen sie sich im Schatten der Alhambra, im spanischen Granada. Die einmalige Festung steht für die wechselhafte Geschichte Europas: Sie ist ein Zeitzeuge vom Kampf der Weltregionen, ein Symbol für Europas kriegerische Geschichte.

Seit dem Angriffskrieg Russlands mussten viele wieder in Europa akzeptieren: Krieg ist weiterhin Politik mit anderen Mitteln. Das Wesen der Alhambra lebt weiter.

EPC – Ein Bollwerk gegen Russland?

Der Gipfel wird ein Krisengipfel werden, mit Auftritten von Machthabern, die vor Nationalismus und militärischen Konflikten nicht zurückschrecken. Die regelbasierte Ordnung in Europa ist zerbrechlich.

Das wird schon am ersten Gipfeltag überaus deutlich. Dort trifft sich die Europäische Politische Gemeinschaft. Das sind mehr als 40 europäische und vorderasiatische Staaten. Die Idee dazu hatte der französische Präsident Macron. Die EU will so ein Bollwerk gegen Russland aufbauen.

Es wird das übliche Familienfoto geben. Es soll Geschlossenheit und Gemeinschaft symbolisieren. Eingeladen ist auch der Präsident von Aserbaidschan, Ilham Alijew. Er steht für eine Machtpolitik, die auf Waffen, nicht auf Werte, setzt.

Wenig Protest gegen Aserbaidschan – wegen Gas

Denn Alijew hat sich gerade die autonome Provinzregion Berg-Karabach einverleibt und vertreibt von dort wohl gezielt die Armenier. Manche sprechen von einem drohenden Genozid. Dafür sollte er sich auf dem Gipfel verantworten. Deshalb kommt Alijew wahrscheinlich nicht.

Die EU kommentiert diesen klaren Verstoß gegen die regelbasierte Ordnung, gegen ihre Werte, zurückhaltend. Das hat einen Grund: Aserbaidschan liefert Europa dringend notwendiges Erdgas.

Wer vom russischen Gas unabhängig werden will, kann nicht wählerisch bei der Suche seiner neuen Partner sein. Die EU weiß das. Sie wird auf dem Gipfel versuchen, die Balance zwischen Pragmatismus und ihren Werten nicht zu verlieren.

Asyl: Polen und Ungarn weigern sich weiter

Am zweiten Tag ist die EU unter sich. Was es aber nicht einfacher macht. Es geht um die weitere Hilfe für die Ukraine und das Problem der Migration. Das Zauberwort, das auf dem Gipfel gebetsmühlenartig wiederholt werden wird, heißt: Zusammenstehen.

Aber zwei Länder interessiert die europäische Solidarität nicht. Polen und Ungarn verweigern sich. Die EU versucht gerade, Hände ringend einen Asylkompromiss hinzubekommen. Er basiert darauf, Migration zu beschränken und die Flüchtlinge gerechter zu verteilen. Polen und Ungarn haben deutlich gesagt, sie werden keine Flüchtlinge aufnehmen. Sie werden sich nicht an mögliche EU-Beschlüsse halten.

Und nicht nur das. Sie sonnen sich in ihrem Widerstand. In jeder Rede des ungarischen Regierungschefs Victor Orban und des polnischen Regierungschefs Morawiecki machen sie Stimmung gegen die EU. Was sie bewusst unterschlagen: Dass sie gerne die Gelder aus Brüssel nehmen, um ihre heimische Wirtschaft am Laufen zu halten.

Ukraine: Unterstützung in EU bröckelt

Auch beim Thema Hilfe für die Ukraine drohen Polen und Ungarn mit Widerstand. Der ungarische Regierungschef Orban hält Waffenlieferungen an die Ukraine für den falschen Weg, glaubt nicht an einen Sieg der ukrainischen Armee und geht nicht davon aus, dass Kreml-Diktator Wladimir Putin bald stürzen wird.

Auch Polen steht nicht mehr eindeutig hinter den Waffenlieferungen. Spricht von der Ukraine als einen Ertrinkenden, an dem man sich nicht festhalten sollte, sonst geht man selber unter. Polen will vor allem jetzt selbst aufrüsten, um sich zu schützen. In Polen wird gerade gewählt, die regierende PiS-Partei versucht mit nationalistischen Tönen, Stimmen zu gewinnen. Ein Anti-Europa-Kurs hilft da.

Den Gipfel dominieren viele Krisen, Europa wirkt angeschlagen. Der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat mal gesagt: “Wer an Europa verzweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen!” Die Alhambra hat viele Schlachten gesehen – vielleicht doch der perfekte Gipfelort, um sich zu besinnen.

Quelle : ZDF

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