2021 leben in der Europäischen Region der WHO mehr als 150 Mio. Menschen mit einer psychischen Erkrankung, und nur ein Drittel der an Depressionen leidenden Menschen erhalten die nötige Versorgung. Um diese Defizite in der psychischen Gesundheitsversorgung und dem dazugehörigen Leistungsangebot zu beheben, die oft durch die COVID-19-Pandemie verschärft wurden, hat WHO/Europa ein neues Bündnis für psychische Gesundheit ins Leben gerufen.
Das am 30. September in Brüssel in Anwesenheit Ihrer Majestät Königin Mathilde von Belgien eingeweihte Bündnis ist eine Partnerschaft, die sich eine Verbesserung der psychischen Gesundheit in der gesamten Europäischen Region der WHO zum Ziel gesetzt hat. Es wird Lücken in der psychischen Gesundheitsversorgung in Angriff nehmen, indem es führende Politiker aus den Ländern, Fachkräfte, Mitglieder der Zivilgesellschaft, Vertreter internationaler Organisationen und Sachverständige zusammenführt, um die psychische Gesundheit aus dem Schatten herauszuholen und zu einem zentralen politischen Thema zu machen.
Zu den zentralen Prioritäten des Bündnisses zählen die Umgestaltung der psychischen Gesundheitsversorgung und die Einbeziehung von psychischer Gesundheit in die Maßnahmen zur Bewältigung von Notlagen und zum anschließenden Wiederaufbau, aber auch die Förderung der psychischen Gesundheit und die Vorbeugung gegen psychische Erkrankungen im gesamten Lebensverlauf.
Psychische Gesundheit ganz oben auf der politischen Tagesordnung
Die psychische Gesundheit ist ein wesentlicher Bestandteil des individuellen und kollektiven Wohlbefindens. Sie wird oft durch belastende oder ungünstige Lebens- oder Arbeitsbedingungen oder wirtschaftliche Verhältnisse sowie durch soziale Ungleichheiten, Gewalterfahrungen und Konflikte gefährdet: in diesem Zusammenhang hat die COVID-19-Pandemie verdeutlicht, wie anfällig die psychische Gesundheit sein kann.
Psychische Gesundheitsprobleme sind weit verbreitet und stellen in der Europäischen Region eine der häufigsten Ursachen von Leiden und Behinderung dar.
Von den Problemen aufgrund psychischer Erkrankungen sind alle Altersgruppen und sozialen Gruppen betroffen. Hierzu zählen die sprunghafte Zunahme von sog. „Verzweiflungskrankheiten“ (diseases of despair), die anhaltende Prävalenz von Depressions- und Angststörungen unter jungen Menschen, die Verbreitung von Selbstschädigung und Suizid und die unerfüllten Bedürfnisse von Menschen, die an Demenzerkrankungen oder Autismus-Spektrum-Störungen leiden. Konkrete Herausforderungen sind die zunehmende Anzahl von Burnout-Fällen unter Gesundheitsfachkräften, die Notwendigkeit einer Inangriffnahme der Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die psychische Gesundheit und die Notwendigkeit einer Förderung der Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften, die von Konflikten betroffen sind.
In vielen Fällen wird das Leid von Einzelpersonen und ihren Familien durch Stigmatisierung, Diskriminierung, Menschenrechtsverletzungen und soziale Ausgrenzung noch verstärkt. Dies führt dazu, dass die Art, wie die Gesellschaft mit Menschen umgeht, die an psychischen Erkrankungen leiden, zu einem Teil des Problems wird.
Das Bündnis für psychische Gesundheit wird hochrangige, engagierte Persönlichkeiten und einflussreiche Interessengruppen wie die Betroffenen selbst an einen Tisch bringen, um die gesellschaftliche Haltung gegenüber psychischer Gesundheit zu verändern.
Das Bündnis wird:
- eine übergeordnete Rahmenstruktur für den Erfahrungsaustausch und für die Mobilisierung nationaler Vorkämpfer, Fürsprecher und Innovatoren schaffen;
- als Dach für die organisationsübergreifende und regionsweite Überprüfung gewonnener Erkenntnisse und zukünftiger Perspektiven für die Politikgestaltung und -umsetzung im Bereich der psychischen Gesundheit dienen;
- die grundlagenorientierte und angewandte Forschung im Bereich der psychischen Gesundheit anregen und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Schnittstelle zwischen Gesundheits-, Sozial- und Gemeindeversorgung sowie die Rolle der primären Gesundheitsversorgung, die Schnittmenge zwischen psychischer Gesundheit und Gleichstellung sowie die Rolle vorübergehender oder langfristiger finanzieller Unsicherheit legen;
- in den Ländern den politischen Dialog über psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung erleichtern, um zentrale Prioritäten im Bereich der psychischen Gesundheit (z. B. ressortübergreifende Präventionsmaßnahmen, Digitalisierung der psychischen Gesundheitsversorgung, Deinstitutionalisierung der psychiatrischen Versorgung und Investitionen in entsprechende gemeindenahe Strukturen, Zusammenarbeit zwischen Netzwerken des Gesundheits- und Sozialwesens, und forensische Psychiatrie) in nationale Handlungskonzepte und Pläne einzubeziehen.
Quellen : WHO