Die Propheten Falscher Sparsamkeit

Die EU-Finanzminister treffen sich in Brüssel, um eine Einigung über die Reform der Schuldenregeln der EU zu erzielen. Derweil kann Europa nur hoffen, dass sie nicht länger auf die Propheten der falschen Sparsamkeit hören und mehr finanziellen Spielraum für Investitionen zulassen.

Die Finanzminister der Mitgliedstaaten trafen sich in der Nacht zum Donnerstag (7. Dezember), um die letzten Details der Reform der EU-Haushaltsregeln zu besprechen. Da jedoch keine Einigung erzielt werden konnte, wurde ein weiteres Treffen für heute angesetzt.

Nach dem derzeitigen Stand der Verhandlungen werden die neuen Fiskalregeln der EU allerdings weiterhin wenig Spielraum für Investitionen größeren Ausmaßes lassen. Dadurch wird ein vergiftetes politisches Umfeld begünstigt, in dem Sozialausgaben, Verteidigungsausgaben und umweltfreundliche Investitionen gegeneinander ausgespielt werden. Gerade in Zeiten, in denen Investitionen in diese Bereiche essentiell sind, könnte sich diese Zurückhaltung als fatal erweisen.

Die ursprüngliche Idee der Reform der Schuldenregeln – sie zu vereinfachen und die individuelle Situation und den Investitionsbedarf der einzelnen Länder besser zu berücksichtigen – ist inzwischen durch und durch mit numerischen „Sicherheitsvorkehrungen“ durchsetzt. Diese machen die Regeln noch komplizierter als zuvor und lassen bei ihrer Einhaltung nicht viel Raum für zusätzliche Investitionen.

Es ist eine große Ironie, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner eine solche Reform ausgerechnet in dem Moment durchsetzen kann, in dem das Debakel der berüchtigten Schuldenbremse – die deutsche Illusion, wie mein Kollege Jonathan Packroff sie nannte – offensichtlich wird.

Die Bundesregierung muss sich nun entscheiden, ob sie in einer Rezession die Steuern erhöhen oder die Ausgaben kürzen will. Alternativ kann sie auch rückwirkend den Notstand ausrufen und ihre Defizitausgaben legalisieren.

Steuererhöhungen werden unpopulär sein, die rückwirkende Ausrufung des Notstands wird lächerlich wirken und Ausgabenkürzungen werden aller Wahrscheinlichkeit nach die Klimainvestitionen verringern.

Die Regeln erlegen der Regierung künstlich Sparsamkeit auf, was wiederum zu einem echten Sparsamkeitsdruck führt. Geringere öffentliche Investitionen werden das Vertrauen privater Investoren erschüttern. Dadurch werden sie ihre Aktivitäten zurückfahren, wodurch das Wirtschaftswachstum und die Steuereinnahmen sinken.

So hat Europa es in den 2010er Jahren vermasselt. Aus der Vergangenheit scheint man allerdings nicht wirklich etwas gelernt zu haben. Stattdessen wiederholt man die Fehler der Austeritätspolitik – obwohl der Investitionsbedarf so hoch ist wie nie.

Durch die demografische Entwicklung in der EU sind Kürzungen bei den Sozialausgaben eher nicht durchzusetzen.

Gleichzeitig müssen aber auch die Verteidigungsausgaben steigen, wenn sich Europa gegen den russischen Imperialismus wappnen will. Insbesondere in Anbetracht einer möglichen weiteren Trump-Präsidentschaft und der Schwächung der NATO wären Kürzungen bei den Verteidigungsausgaben fahrlässig.

Von den geforderten „Schutzmaßnahmen“ der Haushaltsregeln werden also wahrscheinlich die Klimainvestitionen betroffen sein. Sie haben keine Lobby hinter sich und werden hauptsächlich von der aufgeklärten Vernunft und einem Haufen junger Leute, wie den Straßenklebern, vorangetrieben.

Die EU-Finanzminister stehen kurz davor, einen der größten wirtschaftspolitischen Fehler zu begehen, seit Winston Churchill das Vereinigte Königreich 1925 mit einem lächerlichen Wechselkurs zum Dollar zurück auf den Goldstandard zwang.

Im Namen „gesunder Finanzen“ schuf Churchill eine künstliche Knappheit und zwang dem Land eine ruinöse Deflation auf. Dies führte zu sozialem Unfrieden, wirtschaftlichem Chaos und indirekt auch zu einer mangelnden Vorbereitung des Militärs auf den folgenden Krieg.

„Alle sagten, ich sei der schlechteste Finanzminister, den es je gegeben hat“, sagte Churchill, als er später im Jahr 1930 auf seine Entscheidung zurückblickte. „Und jetzt bin ich geneigt, ihnen zuzustimmen.“

Ob die EU-Finanzminister einen solchen Churchillschen Großmut haben werden, ist zweifelhaft. Es ist besser, den Fehler gar nicht erst zu begehen.

Quelle : EURACTIV

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